Das Jahr 1898 gilt als das Gründungsjahr des Laufer SPD-Ortsvereins. Vorher gab es ja schon in Lauf ca. 25 einzelne SPD-Mitglieder, die ihre Beiträge aber nach Fürth bezahlten. Die wollten nun auch in Lauf aktiv werden. Dazu planten sie, einen eigenen örtlichen Sozialdemokratischen Wahlverein zu gründen. Wählen durfte nämlich in Bayern nur, wer das Bürgerrecht hatte. Das hatten die meisten Arbeiter aber nicht. Aber sie konnten es im Rathaus für 50 Mark erwerben. Das waren 3-4 Wochenlöhne. Im März 1898 ging man daran im Lokal Heindel, in der Johannisgasse, einen Wahlverein zu gründen. Vorher musste pflichtgemäß die Versammlung aber bei der Ortspolizei mit Zweck, Ort und Zeit gemeldet werden.
Der Versammlung war es aber kaum möglich, einen Vorsitzenden zu finden. Denn wer sich öffentlich zu den Sozialdemokraten bekannte, musste mit vielen Benachteiligungen, Ächtung und oft auch Verlust des Arbeitsplatzes rechnen. Von der Versammlung meldete dann Laufs Bürgermeister Eckert dem Königlichen Bezirksamt in Hersbruck: „Es hat sich hier ein Sozialdemokr. Wahlverein gebildet, der alles ordnungsgemäß bei der Laufer Ortspolizei gemeldet hat.“ Aber das Bezirksamt war mit Form und Inhalt der Anmeldung keineswegs einverstanden. Die Notwendigkeit der Vereinsgründung wurde stark angezweifelt. Laufs Bürgermeister Eckert war diese obrigkeitliche Gängelei aus Hersbruck sehr zuwider. Er nahm seine Laufer in Schutz und schilderte den Wecke des Sozialdemokratischen Vereins auf seine Weise: Der Verein sei gegründet zum Zweck der Bestreitung von Druckkosten für Versammlungsanzeigen, die bisher die Fürther Parteikasse bezahlte. Diese Abhängigkeit sei den Laufern recht unwürdig erschienen. Auch würde sich die Vereinstätigkeit vor allem auf die Gewinnung von Mitgliedern beschränken. Vom Einsatz der Sozialdemokraten für Menschenwürde und Gerechtigkeit durfte ja im Schriftverkehr des Obrigkeitsstaates nichts erwähnt werden. Nach manchen Problemen im März bei der Bildung eines Vorstandes des Wahlvereins wollten die Genossen aber nicht aufgeben. So trafen sie sich wieder am 1.Mai 1898 in der „Restauration Macher“ am linken Bahnhof. Jugendlichen unter 21 Jahren war der Zutritt strengstens verboten, Frauen waren auch nicht dabei. Aber dafür waren 2 Gendarmen anwesend, um dieses äußerst verdächtige Treiben dort genauestens zu kontrollieren und als „Sozialistische Umtriebe“ in den Akten der Polizei festzuhalten, die bis heute erhalten sind. Nun, der Vorstand des Vereins wurde schließlich ergänzt und das Versammlungsprotokoll von 40 Personen unterschrieben.
Als Kuriosität sei vermerkt, dass einer der Genossen 3 Kreuze unter das Protokoll setzte. Er konnte also nicht lesen und schreiben. Mit der Gründung des Sozialdemokratischen Wahlvereins erblühte auch die Organisation zur Förderung der Gemeinschaft und zur gegenseitigen Hilfe. Beispiele sind: Arbeiter-Bildungsverein, Unterstützungsverein, Gesangverein, Turn- und Sportverein, Krankenhilfe und schließlich auch die Arbeiterwohlfahrt und der Arbeiter-Samariter-Bund. Auch eine Konsumgenossenschaft wurde gegründet. Natürlich waren die Genossen auch in der Gewerkschaft aktiv. Für den SPD-Wahlverein galt es, viele Bürger von der Wichtigkeit der Wahlen zu überzeugen und sachlich und finanziell beim Erwerb des Bürgerrechts zu helfen. Das Bürgerrecht kostete 50 Mark, das bedeutete 3-4 Wochenlöhne. Durch die Arbeit des Wahlvereins konnte nach und nach die Zahl der Wahlberechtigten verdoppelt werden. Die Sozialdemokraten erreichten bei der Stadtratswahl 26% der Stimmen und damit 2 Stadtratssitze. Die Zahl der Räte der SPD stieg später nach und nach auf 50% an.
1919 wurde auf Antrag der Laufer SPD-Stadträte allen Männern, die im Krieg waren, das Bürgerrecht erteilt und damit das Wahlrecht. Und schließlich wurden dann endlich 1919 in der 1.Deutschen Republik die Frauen wahlberechtigt. Ein wichtiges Ziel des Sozialdemokratischen Wahlvereins war nun erreicht. Aber die Zeit lief weiter und aus dem Verlauf der Geschichte der SPD sollten 2 besonders dramatische Phasen erwähnt und nicht vergessen werden: Einmal als am Kirchweihfreitag 1933 unsere Laufer SPD-Stadträte verhaftet wurden und ins KZ Dachau kamen. Und zweitens die großartige Aufbauarbeit nach 1945 von unserem Genossen Andreas Scherber als Laufer Bürgermeister und von unserem Landrat Kurt Böhmer im Landkreis. Zum Schluss: Der Einsatz unserer damaligen Genossen ist für uns heute unglaublich und tief beeindruckend. Sie waren nicht Sozialdemokraten so nebenbei. Nein. Sie waren es ganz und gar mit vollem Einsatz, mit Leib und Seele im Kampf für Menschlichkeit und Gerechtigkeit.
Stand: 12.08.2023